Foto: Archiv BBM

Objekt des Monats Oktober

Gruppenfoto um 1890

Am vergangenen Freitag jährte sich die Gründung des „Arbeitskreises Steinkohle“ in Zwickau zum dreißigsten Mal. Der heutige Steinkohlenbergbauverein Zwickau e.V. umbenannte Verein hat sich die Wahrung der langen Tradition des Steinkohlenbergbaus im ehemaligen Zwickauer Revier auf die Fahne geschrieben. Um einstige Standorte des Steinkohlenbergbaus in der Landschaft wieder sichtbar zu machen, wurden bereits Mitte der 1990er Jahre zwei Bergbaulehrpfade von dem Verein eingerichtet. Mit der über Zwickaus Grenzen hinaus bekannten Bergleit‘-Nacht leistete der Verein über Jahrzehnte hinweg einen wichtigen Beitrag zur bergmännischen Kunst und Kultur. Noch heute engagieren sich die Mitglieder beim Entwickeln der Sächsischen Kohlenstraße und mit regelmäßigen Aufwartungen im Habit zu unterschiedlichsten Anlässen.

Letzteres schlägt nunmehr die Brücke zum aktuellen Objekt des Monats Oktober. Das Exponat der Kategorie Flachware ist ein sehr gutes Beispiel für die Arbeit der Traditionswahrung im Bergbaumuseum. Denn Fotografien, gerade auch aus den ersten Jahrzehnten der Fotokunst, sind nach wie vor ganz besondere Fenster in die Vergangenheit. Beim näheren Betrachten solcher Bilder enthüllt gerade das geübte Auge des Historikers Interessantes, was auf den ersten Blick verborgen bleibt. So ist die gezeigte Abbildung zunächst recht schnell beschrieben. Zu sehen sind 18 uniformierte, stehende Bergmänner. Neben ihren Uniformen sind sie mit diversen Stücken Paradegezähe ausgestattet. Davor sitzen vier Herren, drei davon im Anzug und einer mit Kittel. Im Hintergrund sind vermutlich Gebäudeteile einer Werksanlage zu sehen. Außerdem wurde das Foto im Winter aufgenommen, denn es liegt bereits oder noch Schnee.

Nur mit dem nötigen Detailwissen jedoch, erkennt man hier Bergmänner des Zwickauer Steinkohlenbauvereins an ihren speziellen Uniformen. Die Koppelschlösser der Gürtel zeigen die drei Schwäne des Zwickauer Stadtwappens. Außerdem bemerkt man bei genauerem Hinschauen die unterschiedlichen Gezähe, welche für verschiedene Gewerke stehen. Bergbarten, beilförmiger, spitzer Kopf mit Holzschaft, repräsentierten die Bergleute. Sogenannte Kaukämme, welche mehr noch einem klassischen Beil entsprachen, wurden von den Zimmerlingen, den Holzarbeitern unter Tage, zur Schau getragen. Eine Besonderheit auf dem gezeigten Bild ist der Franzose. Dabei handelt es sich keines Wegs um eine der abgebildeten Personen, sondern ebenfalls um eines der Gezähe. In der hintern Reihe schaut ein Herr mit vollem Rauschebart und freundlichen Augen in die Kamera. Er trägt den genannten Franzosen an der linken Schulter angelehnt. Hierbei handelt es sich um einen universellen Schraubenschlüssel mit Öffnungen nach beiden Seiten. Das lässt die Annahme zu, dass sein Träger ein Schlosser war. Dieser war zudem auch nicht sehr groß und musste für die Aufnahme auf einer der Sprengstoffkisten Position beziehen. Der etwas streng blickende Herr mit Nickelbrille in vorderster Reihe ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Max Pinther. Er war bis 1905 Kaufmännischer Direktor, heute CFO, des Unternehmens. Der Herr rechts daneben mit gespaltenem „Tirpitz“-Bart ist Ferdinand Kästner, der Aufsichtsratsvorsitzende. Nach dem Vergleich mit anderen Aufnahmen, wurde die Werksanlage als der Vereinsglückschacht in Zwickau identifiziert. Heute findet sich in der Nähe der ehemaligen Grube das Westsachsenstadion.

Aufnahmen wie diese sind immer wieder kleine Perlen innerhalb einer musealen Sammlung, da sie so viel mehr verraten können, als das bloße Auge zunächst sieht. Außerdem geben sie einer lang vergangenen Zeit ein oder mehrere Gesichter und lassen so eine persönliche Ebene zwischen Bild und Betrachter entstehen. Daher werden auch in der neuen Dauerausstellung des Bergbaumuseums Oelsnitz/Erzgebirge Exponate wie dieses, zu sehen sein.

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